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Transkript

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00:00:00: Was trinkt Europa und wie viel davon? Was ist Binge-Drinking und wie wird das gemessen? Und was für ein Getränk ist eigentlich ein Cara---Cara….Ach, hört einfach selbst. „Die Fakten dicke – der GESIS-Podcast“ nimmt euch mit in die Welt der Forschungsdaten. Dabei sind Dr. Sophie Zervos und Dr. Lydia Repke. Viel Spaß mit unserer Folge: “Bar-Hopping quer durch Europa – Alkoholmessung im ESS”

00:00:36: Lydia: Hallo Leute, liebe Faktenfreunde, da sind wir wieder! Heute mal mit einer spritzig spritigen Folge und der Expertin Diana Zavala Rojas vom European Social Survey. Hi Sophie!

00:00:48: Sophie: Liebe Hörerinnen und Hörer, herzlich Willkommen! Hallo Lydia! Spritig ist das richtige Wort, denn es geht um Alkohol und wenn ihr wüsstet, was Alkohol mit unserem Gehirn macht....

00:01:01: Lydia: Das will ich lieber gar nicht wissen, Sophie! Aber Unwissenheit schützt ja bekanntlich auch nicht vor einem schrumpfenden Gehirn oder so ähnlich.

00:01:08: Sophie: Ja, verstehe ich, aber ich muss es jetzt trotzdem loswerden. In einer gerade im Journal “nature communications” erschienen Studie haben Forschende herausgefunden, beziehungsweise publiziert, dass bereits ein geringer bis mäßiger Alkoholkonsum Veränderungen des Gehirns zur Folge hat. Das schrumpt dann nämlich.

00:01:29: Lydia: Was ist denn jetzt hier geringer oder mäßiger Konsum? Ist das das bekannte Glas Rotwein am Abend?

00:01:34: Sophie: Haha, schön wär's. Nee, weniger. Mäßiger Konsum bedeutet bereits 100 ml Wein bzw. 300 ml Bier für Frauen und das Doppelte für Männer. Wenn man als Frau sogar ein Glas Wein, also ein ganzes Glas Wein, oder zwei kleine Flaschen Bier trinkt, bzw. als Mann das doppelte, dann schrumpft das Gehirn so deutlich, dass das einer Alterung von zwei Jahren im Vergleich zu Nichtkonsument*innen entspricht.

00:02:03: Lydia: Ich wusste schon immer, dass ich besonders reif bin für mein Alter... [lacht]

00:02:09: Sophie: Ja, frühreifes Früchtchen.

00:02:09: Lydia: Jetzt weiß ich auch warum. [lacht]

00:02:13: Sophie: Im Übrigen, es wird dann mit zunehmendem Konsum immer schlimmer mit den Alkohol-Folgen. Also man stelle sich das schrumpfende Gehirn vor, äh ja, aber das alle nur kurz vorangestellt...

00:02:27: Lydia: Genau, der Folgen sind genug gewechselt, lass uns über Daten reden, liebe Sophie.

00:02:32: Sophie: Ja, genau richtig, und jetzt wollen wir den Fokus mal ein bisschen anpassen. In der letzten Episode haben wir ja anhand des Konzeptes von Religiosität darüber gesprochen, wie man solche theoretischen Konzepte prinzipiell messbar machen kann. Und dabei haben wir mit der Religiosität ein Beispiel gewählt, bei dem das Konzept schon relativ klar ausdifferenziert ist. Und heute wollen wir Euch, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, im Gegensatz dazu mal mit ins Feld nehmen und euch zeigen, auf welch vielfältige Weise man sich ein noch nicht sehr definiertes Konzept erschließen kann.

00:03:10: Lydia: Ein sehr schönes Beispiel dafür ist nämlich die Alkoholmessung im European Social Survey, weil hier “ins Feld gehen” eine ganz besonders praktische Auseinandersetzung mit dem Stoff beinhaltet.

00:03:22: Sophie: Schönes Wortspiel. Der European Social Survey, kurz ESS, ist übrigens eine wissenschaftliche Umfrage, die seit 2001 alle zwei Jahre in ganz Europa durchgeführt wird. Und der ESS macht Face-to-Face (also persönliche) Interviews, die die Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensmuster in mehr als 30 Ländern immerhin und 35 Sprachen messen.

00:03:46: Lydia: Und in der Runde 7 aus dem Jahr 2014 vom ESS wurde zum einen ganz allgemein, neben vielen anderen Fragen natürlich, der Alkoholkonsum gemessen, und zum anderen auch ganz speziell nach dem Binge-Drinking-Verhalten gefragt, also nach dem übermäßigen Konsum von Alkohol. Und dazu habe ich mich mit meiner alten Freundin und vor allem auch ESS-Expertin Diana Zavala Rojas getroffen, also digital getroffen, und mal darüber unterhalten. Ton ab!

00:04:16: Lydia: Hi Diana, great to see you.

00:04:18: Diana Zavala Rojas: Hi Lydia. Thanks for having me here, pleasure to record this podcast with you.

00:04:25: Lydia: [laughs] Yeah, as you know, I asked you today to meet with me because we have known each other for many, many years, back from my time in Barcelona at the Universitat Pompeu Fabra, where you work for the European Social Survey, which is also known as the ESS. And where over the course of the years, throughout our PhDs, we became really, really good friends. But today I would like to talk to you as the expert you are.

00:04:57: L: Ja, wir haben dann noch ein bisschen geplauscht, sind aber relativ schnell dazu gekommen, wie denn nun der Alkoholkonsum im ESS ganz konkret gemessen wird und welche Fragen dort gestellt werden.

00:05:03: Diana Zavala Rojas: First, we ask about frequency: “How often have you had a drink containing alcohol?” Uhm, then, we would ask the respondent how many of each of the typical drinks they have on a weekday and on a weekend. We define weekdays from Monday to Thursday and weekends from Friday to Sunday.

00:05:30: Lydia: I wish my weekends lasted from Friday until Sunday. [laughs]

00:05:36: Diana: [laughs] And then we ask them to look at some examples of how much drinks/alcohol a person might drink on a single occasion, and we ask them to tell us if they have drunk this amount or this group of drinks on a single occasion or more.

00:06:03: Sophie: In der deutschen Version des ESS lautet die Frage nach der Häufigkeit, die Diana gerade genannt hat, wörtlich: “Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten ein alkoholisches Getränk getrunken? Gemeint sind zum Beispiel Wein, Bier, Apfelwein, Schnaps oder andere Getränke, die Alkohol enthalten.” Und darauf folgt dann jeweils noch eine Frage zum letzten Konsum an einem Wochentag und an einem Wochenende.

00:06:28: Lydia: Das Ganze wird dann visuell unterstützt mit sogenannten Showcards, also tatsächlich Karten, auf denen sich Bilder befinden, die in diesem Fall hat die verschiedenen Getränke zeigen. Und interessant finde ich dabei, dass es dann auch Showcards gibt, nicht nur mit den Getränken als solchen, sondern auch mit den typischen Trinkverläufen. Also so eine Art Beispielsituationen, in denen man Alkohol trinkt, wie wenn man so “abends weggeht” oder so. Da trinkt man dann möglicherweise nicht nur eine Getränkeart, sondern fängt beispielsweise beim Bier an und hört beim Absacker-Schnäpperken auf.

00:07:01: Sophie: [lacht] Du hast ja Gewohnheiten. Vielleicht muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Idee mit den Showcards, die du gerade erwähnst, ja so raffiniert ist, da es beim ESS nicht nur darum geht, den Alkoholkonsum in den einzelnen Ländern zu messen, sondern dass man es so tut, dass es vergleichbar ist, also die Länder untereinander vergleichbar sind. Aber bevor wir auf diese methodische Raffinesse näher eingehen, wollen wir Euch natürlich erstmal berichten, wo in Europa am meisten getrunken wird, das ist natürlich sehr spannend, und wo am wenigsten. Vielleicht überrascht es euch ja genauso wie uns.

00:07:39: Lydia: Ja, tatsächlich führt Irland die Alkoholkonsumliste an, gefolgt von Litauen, und die Schlusslichter bilden dann Frankreich und Slowenien.

00:07:50: Sophie: Stellt euch das mal vor, das traditionelle Weinland Frankreich unter den Schlusslichtern, das kann man gar nicht wirklich glauben. Insbesondere ich nicht als Halbfranzösin, ich bin sehr verwundert. Und genauso erstaunlich finde ich, dass wir Deutschen eher so im unteren Mittelfeld liegen, wer hätte das gedacht, bei unserem Bierkonsum.

00:08:10: Lydia: Tja, Bier ist halt kein Schnaps, liebe Sophie.

00:08:12: Sophie: Na ja, aber wir sind dem “Kurzen” ja auch nicht sehr abgeneigt.

00:08:16: L: Also streng genommen können die Unterschiede im Länderranking natürlich auch methodische Ursachen haben. Da der ESS ja als Face-to-Face Interview gehalten wird, also sprich persönliche Befragungen durchführt, ist ja immer eine Person anwesend logischerweise, die die Fragen stellt. Und diese Tatsache, dass da jemand einfach anwesend ist, kann einen Einfluss auf mein Antwortverhalten haben, das sind dann sogenannte Interviewereffekte. Wenn ich jetzt alleine zuhause sitze und den Fragebogen alleine ausfülle, dann fühle ich mich vielleicht nicht so unter Druck gesetzt oder so. Es wäre denkbar, dass es in einigen Ländern zum Beispiel sozial akzeptierter ist auch, über seinen Alkoholkonsum zu sprechen, als in anderen Ländern, und demzufolge auch mehr Alkohol angegeben wird. Oder anders ausgedrückt: Vielleicht sind Befragte einiger Länder “ehrlicher” oder offener was ihren tatsächlichen Alkoholkonsum betrifft. Es könnte aber natürlich auch genau so gut sein, dass ein erhöhter Alkoholkonsum von einigen als etwas Positives verstanden wird und dementsprechend bei der Angabe vielleicht auch etwas übertrieben wird. So frei nach dem Motto: Hey, ich bin besonders cool und stark, weil ich vertrag ja viel, so ne.

00:09:28: Sophie: Ja klar, aber Interviewer Effekte kann es natürlich in jeder face-to-face-Befragung geben. Und ich würde jetzt mal davon ausgehen, dass man auch in Ländern wie Deutschland und Frankreich das Trinken von Bier bzw. Wein als “Kulturgut” verstanden wird und somit ja auch eher positiv konnotiert ist. Hier fällt ja eher auf, wenn man keinen Alkohol trinkt. Also insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass die Unterschiede ausschließlich auf Interviewer Effekte zurückzuführen sind.

00:09:55: Lydia: Ja, wie dem auch sei, also spannend sind die kulturellen Unterschiede allemal. Und diese zeigen sich auch bereits in diesen unterschiedlichen Showcards tatsächlich. Und über das Zustandekommen dieser länderspezifischen Showcards hatte Diana auf Nachfrage auch eine wirklich schöne Anekdote für Spanien auf Lager.

00:10:17: Diana Zavala Rojas: Oh, that’s a question, the design of this was a beautiful process I have to say. And one that involved going to bars actually, to figure it out what was going on with the country-specific alcohol consumption. So, see, in the ESS, we first design a source questionnaire that is localized for the British population, and then we translate or localize this measurement in every participating country. So, we wanted something that would be equivalent across countries but at the same time our aim is to reduce measurement error. And this is done by being intuitive and easy for the respondent, that our questions are easy to be answered. So, we started a process of defining which were the typical drinks in every country, starting from the source questionnaire, so in Britain – in the UK, sorry. And then we – when this was established – we opened a long consultation in every single participating country to define their typical drinks. Uhm, when the methodological group was defining this methodology, I have a very funny story for you, you know, we went to do a qualitative study to look around in our own countries, which were the typical drinks. And you may wonder why the “Carajillo” is not here, no?

00:11:53: Lydia: What is a “Carajillo”? Can you explain that to the audience?

00:11:55: Diana Zavala Rojas: A “Carajillo” is coffee with a bit of liquor or whiskey or rum, or some strong alcohol that you put in it…

00:12:04: Lydia: A coffee with baileys for example?

00:12:06: Diana Zavala Rojas: For instance, or a coffee with whiskey or a coffee with rum. And sometimes it’s called “café con gotas” which literally means “coffee with drops”. So this barman told me: “Oh yeah yeah, people call it “coffee with drops”, “café con gotas”, but that’s because they don’t want to pay the alcohol in it, what they really want is a shot.”

00:12:32: Lydia: [laughs]

00:12:33: Diana Zavala Rojas: So, then we have here the shot of liquor, no, in the card reflected. So, I mean this is just a story, and you can imagine that the team has many stories about this consultation. But in fact, this was a very long process, so questionnaire design takes about two years in the ESS and we have a lot of pre-testing, qualitative and quantitative, and also expert-consultation to arrive to the typical drinks in Germany and in Spain and in Lithuania and in Ireland and in the UK. So you may, so now you may ask yourself if we did it rightly and if these are the typical drinks in Germany or not.

00:13:17: Sophie: Das ist ja wirklich ein amüsanter Feldzugang. Diana und ihr Team haben die Showcards zum Fragebogen entwickelt, indem sie zum Beispiel in Bars gegangen sind und dort die Trinkgewohnheiten der Leute erfragt haben.

00:13:29: Lydia: Prinzipiell versucht der ESS sich einer Methode zu bedienen, die einerseits länderübergreifend gleichwertig ist, aber andererseits natürlich auch möglichst Messfehler reduziert. Und die Hauptstrategie ist, dass die Fragen möglichst intuitiv und einfach zu beantworten sind für die Teilnehmenden.

00:13:52: Sophie: Und dafür wurde dann in jedem teilnehmenden Land eine qualitative Studie durchgeführt, um herauszufinden, welche Getränke landestypisch sind. Sich für qualitative Studien in Bars rumtreiben, darauf hat sich das Methodenteam im ESS bestimmt sehr schnell geeinigt.

00:14:07: Lydia: [lacht] Und das ganz ohne mein Dazutun... [lacht].

00:14:11: Sophie: [lacht] Schau schau.

00:14:12: Lydia: Also nicht dass ich so viel Einfluss auf den ESS hätte, aber... [lacht] Ähm ja, jedenfalls haben Diana und ich uns übrigens auch noch speziell über die spanische Showcard unterhalten und uns diese anguckt, weil sie diese ja mitentwickelt hat. Und dabei hat sie auch von der Geschichte mit dem Carajillo, also dem Kaffee mit Schuss, erzählt, der (also wenn man jetzt mal ganz stereotypisch das darstellt) von spanischen Bauarbeitern morgens vor der Arbeit in der Bar, im barillo, zum Frühstück getrunken wird. Der taucht allerdings nicht auf der spanischen Show Card auf.

00:14:52: Sophie: Ach, das ist ja auch nur ein "café con gotas", was übersetzt ja "Kaffee mit einem Tropfen" bedeutet. Hier soll wohl die Wortwahl nicht nur den Alkohol im Kaffee wegschummeln, sondern auch das Portemonnaie geschont werden. Und das spiegelt sich ja dann im Zweifel auch in den Umfrageergebnissen wider, oder?

00:15:12: Lydia: Ja,solche Feinheiten kann man natürlich nicht immer abbilden, vor allem wenn das Ganze für die Gesamtbevölkerung ja funktionieren soll. Und deshalb ist sozusagen nur der “Schuss” und nicht der “Kaffee mit Schuss” auf der Showcard gelandet. Ja, tatsächlich dauert die Fragebogenentwicklung im ESS gut zwei Jahre. Also das ist ein ganz schön langer, sehr ausgefeilter Prozess, bei dem erst ein sogenannter Ausgangsfragebogen entwickelt wird, der in dem Fall auf die britische Bevölkerung zugeschnitten ist und dann an die jeweiligen Länder angepasst und dementsprechend auch übersetzt wird. Dabei werden auch diverse quantitative und qualitative Pretests aber auch Expertenkonsultationen durchgeführt. Und übrigens ist es nicht nur so, dass es länderspezifische Showcards gibt jetzt hier bei der Alkoholmessung, sondern auch noch solche, die nach Geschlecht unterscheiden. Das ist tatsächlich ganz schön aufwendig.

00:16:06: Sophie: Das heißt, Männer und Frauen haben unterschiedliche Showcards vorgelegt bekommen, da sich ihr Trinkverhalten voneinander unterscheidet. Und nicht nur die Getränkeauswahl ist bei den Geschlechtern unterschiedlich, sondern auch, klar, welche Alkoholmenge vertragen wird.

00:16:22: Lydia: Genau, und diese geschlechterspezifischen Showcards, die sind vor allem für das Messen vom Binge-Drinking-Verhalten relevant, also dem Rauschtrinken, jo.

00:16:35: Sophie: Rauschtrinken, sehr schön.

00:16:37: Lydia: Ich wollte schon sagen mit dem Rausstrinken.

00:16:39: Sophie: Ne, Rauschtrinken...

00:16:41: Lydia: Also man trinkt sich ja auch raus aus der...aus der Welt. [lacht]

00:16:44: Sophie: Ja gut, das ist aber dann double Binge-Drinking. Schön wäre auch so ein Begriff wie Euphorie-Trinken oder so. Also Binge-Drinking wird übrigens vom National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism in den USA definiert als ein Alkoholkonsum, der die Blutalkoholkonzentration auf 0,08 Prozent oder höher bringt. Das entspricht dem, was wir landläufig unter 0,8 Promille verstehen.

00:17:18: Lydia: Wir spielen ja im Büro immer Hangman, und ich glaub "Blutalkoholkonzentration" werde ich beim nächsten mal benutzen. Mal gucken, wer es errät, dann weiß ich, derjenige hat sich den Podcast hier angehört. Jedenfalls, diese Definition, die du jetzt gerade genannt hast, ist tatsächlich auch die, die ja im ESS als Ausgansgbasis genutzt wird. Und da Männer und Frauen körperbedingt unterschiedlich viel vertragen, wurden hier also pro Land zwei Showcards entwickelt. Eine für Männer und eine für Frauen.

00:17:49: Sophie: Ja, aber irgendwie alles auch schön stereotyp, fällt mir dabei auf. Was antwortet denn jemand, der diesen Stereotypen nicht entspricht, also zum Beispiel eine sehr große Frau oder ein besonders zierlicher Mann.

00:18:02: Lydia: Also die oder der antwortet natürlich genauso. Die Frage ist ja hier tatsächlich eher, inwiefern die Menge des, ich sag jetzt mal “Alkoholvertragens” dann noch passt. Aber der Gedanke dahinter, hinter dieser Binge-Drinking-Definition und Messung, ist ja sicherlich, dass sich bei einer hinreichend großen Menge an Befragten, das wieder ausgleicht. Sprich dass das im Durchschnitt passt.

00:18:28: Sophie: Ja stimmt, es geht ja um die Alkoholmenge, die durchschnittlich vertragen wird.

00:18:30: Lydia: Genau, ja. 00:18:31.000 --> 00:18:48.000 Sophie: Aber nochmal zurück zu den Showcards, von denen ihr übrigens, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auch Beispiele in unserem Zusatzmaterial finden könnt, das wir wie immer für euch auf podcast.gesis.org hinterlegt haben. Also...

00:18:48: Lydia: Genau.

00:18:50: Sophie: Da wollte ich noch mal drauf zurückkommen auf die Showcards.

00:18:53: Lydia: Ne ja, super. [beide lachen] Einer muss ja hier den Überblick behalten. Ähm, oder eine. Ähm, genau, diese Showcards...Also wir haben wie gesagt einmal die Showcards, die ganz allgemein einfach nur Alkoholkonsum messen sollen, da gibt's jeweils eine pro Land, ja, aber in jedem Land ist die anders. Und dann gibt's halt noch mal die nach Geschlechtern aufgeteilt pro Land, und die enthalten unterschiedliche Beispiele für typische Trinkverläufe jeweils für Männer und Frauen getrennt. Beispielsweise gelten in Deutschland bei Männern schon drei große Gläser und zwei kleine Gläser Bier als Binge-Drinking und bei Frauen hingegen schon drei große Gläser Bier. Und wie es jetzt um den typischen Binge-Drinking-Verlauf in Spanien steht, hat Diana erzählt.

00:19:40: Diana Zavala Rojas: So, for, uhm well, for women it would be already going to a bar and having two “cañas”, so that is two beers, then probably a glass of wine and then one “combinado” which is a cocktail or a, like a Mojito or rum and cola and so on. But actually, for the men, I think this is a bit more typical of what men and women would drink. But what we wanted to do is to differentiate these cards because for women unfortunately the amount that they define is already smaller. So, for men we have: Imagine you go to the first bar, and you take two “cañas” (so this is two beers), then you move to the next one, and you have two “chupitos” (so two shots), and then you go to the discotheque to dance, and you have two cocktails (so two mojitos or one mojito and one rum and cola).

00:20:53: Sophie: Der ESS geht also davon aus, dass ein typisches Trinkgelage für Frauen in Spanien darin bestehen könnte, in eine Bar zu gehen und zwei "cañas", also zwei Bier zu trinken, anschließend ein Glas Wein und dann einen "combinado", also einen Cocktail oder einen Longdrink. Und spanische Männer hingegen gehen erst in eine Bar und bestellen zwei Bier. Dann gehen sie in die nächste Bar und trinken zum Bespiel zwei Shots. Und dann geht es in die Diskothek zum Tanzen. Und dort werden dann zwei Cocktails bzw. Longdrinks konsumiert.

00:21:25: Lydia: Der typische spanische Partyabend eben, das kann ich genau so bestätigen. [lacht]

00:21:31: Sophie: Also ich finde, an diesen Länderbeispielen kann man schön nachvollziehen, wie sehr das ESS-Team sich bemüht, die Fragen möglichst einfach und für den Befragten nachvollziehbar zu machen.

00:21:41: Lydia: Ja, allerdings steckt da natürlich auch wirklich viel Arbeit dahinter. Ja, was ich mich dann aber auch noch in dem Zusammenhang gefragt habe und dann natürlich auch direkt an Diana weitergegeben habe, ist, wie man nun von diesen tollen Showcards denn zu auswertbaren und vergleichbaren Daten kommt, die man dann als Datennutzender auch auswerten kann. Also die Frage danach, was nun ganz konkret im ESS-Datensatz steckt und wie man nun damit arbeiten kann.

00:22:11: Diana Zavala Roja: It’s a very interesting question. So, the objective of the ESS questionnaire design is to produce, uhm, easy questions for the respondent. So, the respondent just needed to select their typical drinks on a weekday or during the weekend and so, and the team knew already – by producing these showcards – how many grams of alcohol they contain. So, what the teams did is to process this data and to convert the units the respondent gave as an answer into grams of alcohol. So, you can use this data in many different ways. I will just give you some ideas: Firstly, you can take the grams directly from the questions and calculate the mean consumption, standard errors and so. I have to advise that you should always weight your data, you should always use sampling weights and they are included in these datasets. Um, apart from that you could know, for instance, the frequencies. So, the percentages of alcohol consumption that are larger than once a week, for instance. Or you can calculate the units of alcohol on a weekday. So, you have all these measures there.

00:23:41: Lydia: Okay, this is very interesting and now I also understand how it, I guess, can be comparable across countries in my analysis. But uh, so, if I am now interested to see, interested in seeing, uhm I don’t know, how the types of drinks are distributed within a population, this I cannot see from the data? You know what I mean? Like…you had these different units like beer and wine and sparkling wine and so and so forth – can I also see from the data which drinks were mentioned or not?

00:24:20: Diana Zavala Rojas: No, no, because these are just examples we created in order to make it easier for the respondents. So, I don’t think we would be able to statistically meaningfully say on average they drink four beers or…so let’s talk about units or grams which is more precise for this type of measurements.

00:24:44: Lydia: Okay, so really, as a data user, what I can analyze is, how much people drink but not necessarily what they drink. Is that correct?

00:24:52: Diana Zavala Rojas: Yes, correct.

00:24:54: Sophie: Die Befragten im ESS zeigen also mithilfe der Showcards auf, welche Getränke sie getrunken haben. Und die Interviewer wissen aber schon im Vorfeld, wieviel Gramm Alkohol die dargestellten Getränke enthalten. Die später zur Verfügung gestellten Daten weisen dann die Grammzahl des reinen Alkohols in den Getränken aus, und nicht mehr die Getränke selbst. Über den Alkoholgehalt werden dann die unterschiedlichen Trinkgewohnheiten vergleichbar. Man kann aus den Daten allerdings keine Rückschlüsse mehr darauf ziehen, welche Getränke konkret angegeben wurden.

00:25:27: Lydia: Ja, das ist zwar einerseits irgendwie schade und es wäre sicherlich auch spannend das zu wissen, andererseits dienen die Bilder aber natürlich auch nur als Beispiele. Das heißt, wir wüssten eh nicht mit 100%-iger Sicherheit, ob genau diese Getränke jetzt nun konsumiert wurden oder nicht. Siehe unser Beispiel hier “carajillo”, der nicht als Kaffee mit Schuss, sondern nur als Schnaps oder Likör auf der Showcard erscheint. Nichtsdestotrotz finde ich die Daten persönlich interessant und man kann sich ja beispielsweise Durchschnittswerte für den Alkoholkonsum angucken und Standardfehler dazu berechnen oder Häufigkeiten analysieren. Ganz wichtig ist dabei auf alle Fälle aber, dass man die Daten gewichtet. Und wie das geht, findet sich in der Dokumentation vom ESS auf www.europeansocialsurvey.org und die Gewichte finden sich selber auch im Datensatz.

00:26:19: Sophie: Ja, da könnt ihr aber auch gerne noch mal im Zusatzmaterial gucken, da haben wir natürlich den Link auch nochmal angegeben. So, liebe Faktenfreunde, schon sind wir am Ende unserer Folge angelangt, wenn es auch zum Alkoholkonsum natürlich noch viele lustige Anekdoten zu erzählen gäbe. Ich hoffe wir konnten euer Interesse für den European Social Survey wecken und euch anhand des sehr lebensnahen Beispiels, anhand der Messung des Alkoholkonsums in den unterschiedlichen europäischen Ländern, einen kleinen Einblick geben, wie vielfältig und vor allem auch kreativ es bei der Itementwicklung zugehen kann.

00:27:06: Lydia: Wir bedanken uns bei euch fürs Zuhören, bei unserem Gast Diana Zavala Rojas, bei Linna Umme und Claudia O’Donovan-Bellante für die technische Unterstützung. Und wie immer findet ihr weitere Informationen in unserem Zusatzmaterial auf podcast.gesis.org und wer will, kann sich das Interview in voller Länge anhören. Das findet sich als neue Folge in Kürze hier auf diesem Kanal. In diesem Sinne bis zur nächsten Folge, liebe Faktenfreunde. Ach Mensch, Moment, Sophie! [beide lachen]

00:27:35: Sophie: Ja, was ist denn noch?

00:27:37: Lydia: Darf ich es noch sagen, oder?

00:27:38: Sophie: Och, Lydia, du wills es unbedingt sagen, sag's!

00:27:42: Lydia: Okay, sehr gut. Ich muss ja zugeben, dass ich mich auf diese Folge schon über ein Jahr freue und eigentlich auch einen Titel für diese Folge hatte, ich wurde aber hier von meiner Partnerin zensiert [lacht]. Ich wollte ja die Folge so gerne Sektspielzeug nennen, weil das Item sozusagen das Spielzeug des Survey-Designers ist, und es ja um ALkohol geht, aber wie gesagt, wir haben uns dagegen entschieden. Dennoch, in meinem Herzen heißt die Folge eigentlich so. [lacht] In diesem Sinne, gehen wir jetzt was trinken, Sophie?

00:28:15: Sophie: Ja, auf jeden Fall. Also, tschüss.

00:28:20: Lydia: Ciao!

00:28:21: Diana Zavala Rojas: Bye bye.