Transkript
00:00:00: Wie geht eigentlich gute Fragebogenübersetzung? Und warum braucht man dafür ein ganzes Team? Oder sind am Schluss Maschinen doch die besseren Übersetzer*innen? „Die Fakten dicke – der GESIS-Podcast“ nimmt euch mit in die Welt der Forschungsdaten. Dabei heute wieder als Gast Dr. Dorothée Behr und wie immer Dr. Sophie Zervos und Dr. Lydia Repke. Viel Spaß mit unserer Folge: „The Devil Sticks in the Detail – Übersetzungsqualität in Umfragen“.
00:00:38: 00:00:38 Lydia: Hallo, liebe Faktenfreunde und Faktenfreundinnen! Hallo, liebe Sophie! Diesmal wieder mit Stimme und, noch viel wichtiger, auch mit unserer kompetenten und supercharmanten Übersetzungsexpertin Dorothée Behr, die uns ja bereits bei der letzten Folge begleitet hat.
00:00:54: 00:00:54 Sophie: Hallo, liebe Hörerinnen und Hörer, herzlich willkommen! Hallo, Lydia und Dorothée!
00:00:59: 00:00:59 Dorothée: Natürlich auch von meiner Seite ein Hallo an euch alle und an Sie alle!
00:01:04: 00:01:04 Sophie: Dorothée, wir freuen uns, dass du wieder dabei bist und dass du es dir nicht anders überlegt hast nach der letzten Folge!
00:01:10: 00:01:11 Dorothée: Tja, sag ich ja, eine Frau, ein Wort. Obwohl ja in diesem Fall tatsächlich eigentlich eine Frau, ein Wörterbuch besser passen würde... [lacht]
00:01:17: 00:01:17 Sophie: [lacht] Das stimmt, allerdings eher im wortwörtlichen Sinne... Also in der letzten Folge haben wir uns mit Dorothée nämlich dem Thema der Übersetzung gewidmet, ganz allgemein. Heute wollen wir daher tiefer in die Spezifika der Fragebogenübersetzung eintauchen.
00:01:32: 00:01:32 Lydia: So sieht es aus. Und ganz konkret interessieren uns diesmal die Übersetzungsprozesse (also das „Wie“ und das „Wer“) sowie die Tools und die Hilfsmittel, die man dafür verwenden kann. Außerdem wagen wir einen kleinen Blick in die Zukunft (Stichwort maschinelle Übersetzung), denn über die prinzipielle Übersetzbarkeit, also die sogenannte Translatability, und auch die kulturell bedingte Anpassung haben wir uns ja schon in der letzten Folge unterhalten.
00:01:59: 00:01:59 Sophie: Ja, Thema, über das ich mich stundenlang unterhalten könnte...
00:02:04: 00:02:04 Lydia: [lacht] Ja, das glaub ich dir allerdings direkt. Dorothée wahrscheinlich auch und deshalb will ich gleich mal galant in die Übersetzungsprozesse überleiten. Ich fühl mich nämlich bei dem Wort Übersetzung immer gleich in meine Schulzeit zurückversetzt. Da haben wir dann meistens einen deutschen Text bekommen, den wir im Englischunterricht ins Englische übersetzen sollten. Aber so richtig war mir eigentlich nie klar, wieviel Spielraum ich jetzt bei der Übersetzung haben durfte oder auch nicht. Hatten wir ja auch in der letzten Folge schon mal kurz angesprochen, aber heute interessiert uns tatsächlich, wie man nun konkret vorgehen kann. Ich als Laiin (also nicht als Löwin haha, sondern als weiblicher Laie), würde erstmal von meiner Ausgangssprache in die Zielsprache übersetzen und danach zur Überprüfung vielleicht nochmal von meiner Übersetzung wieder zurück in die Ausgangssprache. Aber ich vermute mal, das ist zu simpel gedacht, oder Dorothée?
00:03:02: 00:03:02 Dorothée: Also ganz richtig vermutet, Lydia. Da sprichst du von der sogenannten Rückübersetzung oder auch Back Translation. Dabei wird ein Ausgangstext in die Zielsprache übersetzt und später eben von der Zielsprache wieder zurück in die Ausgangssprache. Und dann werden diese beiden Versionen in der Ausgangssprache miteinander verglichen. Und die Idee ist, dass dann Unterschiede zwischen diesen beiden Versionen Anhaltspunkte im Hinblick auf mögliche Probleme oder Fehler in der Übersetzung selbst geben können. Die Methode stammt aus der interkulturellen Psychologie aus den 70er Jahren des vorherigen Jahrhunderts. Muss ich schon sagen, also sehr, sehr alt. Heute wird sie zwar immer noch verwendet, in der sozialwissenschaftlichen Umfragemethodik ist sie allerdings durch andere Methoden abgelöst worden. Dazu ja nachher auch mehr. Sie hat nämlich so ihre Tücken, muss ich sagen.
00:03:54: 00:03:54 Sophie: Ja, das kann ich mir vorstellen, aber kannst du das noch mal näher für uns ausführen?
00:03:59: 00:03:59 Dorothée: Genau also, auch wenn die Rückübersetzung gröbere Übersetzungsfehler durchaus aufdecken kann, so kann sie aber zum Beispiel auch Fehler cachieren und somit überhaupt nicht anzeigen, dass da ein Problem ist. Ich möchte euch mal ein Beispiel geben aus einem realen Projekt. Das englische Item hieß dort „I have felt downhearted and depressed“ - und das Wort ‚depressed‘ wurde als ‚depressiv‘ übersetzt, und dann in der Rückübersetzung ins Englische kam es wieder zurück als ‚depressed‘. Und dann hatte ich in den beiden englischen Fassungen immer das Wort ‚depressed‘ und es sah gut aus, also alles war scheinbar richtig. Aber erst durch eine sorgfältige Überprüfung der eigentlichen deutschen Übersetzung fiel auf, dass das in dem Kontext, das deutsche Wort ‚depressiv‘, das klinische ‚depressiv‘ gar nicht passte, gar nicht gemeint war, sondern es ging ganz schlicht um eine Form von Niedergeschlagenheit und das Wort ‚depressiv‘ kann da sicher von Befragten falsch verstanden werden.
00:04:53: 00:04:53 Sophie: Ja klar, das ist tatsächlich ja auch ein ganz klassischer Fehler. Auch schon in der Umgangssprache. Aber was wäre denn jetzt eine gute Alternative zur Rückübersetzung?
00:05:05: 00:05:05 Dorothée: Also eine andere Methode, die auch als Best Practice in der interkulturellen Umfragemethodik gilt, das ist das sogenannte TRAPD-Model.
00:05:14: 00:05:14 Sophie: [lacht] Okay, okay, das klingt ja schon sehr kompliziert. Was ist denn mit diesem Akronym gemeint?
00:05:22: 00:05:22 Dorothée: Genau, also TRAPD steht für, auf Englisch, die Termini Translation, Review, Adjudication, Pretesting und Documentation.
00:05:33: 00:05:33 Lydia: Jetzt nochmal auf Deutsch, also Übersetzung, Überprüfung, Entscheidung, und jetzt - Achtung ganz deutsches Wort - Pretesting und Dokumentation. Ich hoffe, das stimmt so...
00:05:46: 00:05:46 Sophie: Ja, also, es sind jetzt gleich mehrere Schritte notwendig, wenn ich das richtig verstanden hab.
00:05:51: 00:05:51 Dorothée: Also genau, gute Fragebogenübersetzung basiert auf einem mehrstufigen Prozess.
00:05:58: 00:05:58 Sophie: Der Ansatz klingt jetzt aber nicht so, als ob das eine Person ganz alleine stemmen könnte, oder?
00:06:05: 00:06:05 Dorothée: Also, es ist in der Tat ein Ansatz, an dem mehrere Personen beteiligt sind und nach dem klassischen Modell - aber hier gibt es auch Varianten - aber ich beziehe mich jetzt mal auf das Ursprungsmodell, übersetzen zunächst zwei Personen unabhängig voneinander einen Fragebogen. Das deckt dann unterschiedliche Interpretationen auf oder es gibt Formulierungsvarianten. Und dann, in der nächsten Phase treffen sich diese Personen - diese Übersetzer, Übersetzerin - mit einer dritten Person, einem Reviewer oder einer Reviewerin, oder vielleicht sogar mit mehreren Personen, um aus diesen zwei Erstübersetzungen eine Übersetzung zu machen. Wichtig ist hier aber, wenn man sich das überlegt, das ist nicht nur ein Auswählen der einen oder der anderen Übersetzung ist. Es kann auch zu einer Kombination der Übersetzung kommen oder man entwickelt sogar eine komplett neue, dritte Übersetzung in so einer Teamdiskussion. Das ist dann natürlich bedingt einfach durch die verschiedenen Perspektiven, die in einer solchen Diskussion und in einer solchen Teamzusammensetzung eben zusammenkommen.
00:07:07: 00:07:07 Lydia: Okay, aber die Hauptvoraussetzung schlechthin dafür ist also schon mal die entsprechende Sprachkompetenz.
00:07:14: 00:07:14 Sophie: Ja, und ich könnte aus meiner eigenen Erfahrung außerdem, könnte ich mir da sehr gut vorstellen, dass man auch über ein gewisses kulturelles Repertoire verfügen muss, um die Inhalte richtig einzuordnen und die Sinnnuancen zu kennen. Was spielt denn außerdem noch eine Rolle, Dorothée?
00:07:29: 00:07:29 Dorothée: Also ihr habt beide recht; natürlich braucht es Sprachkompetenz in der Ausgangs- und in der Zielsprache, es braucht kulturelles Wissen, aber darüber hinaus ist es auch Wissen zu Fragebogendesign, zu den Kriterien guter Fragebogenentwicklung wichtig, zu den Inhalten und den Konzepten der Studie, aber auch Übersetzungskompetenz, denn Übersetzungskompetenz ist beileibe nicht Sprachkompetenz oder nicht nur Sprachkompetenz. Das ist häufig ein Missverständnis.
00:07:55: 00:07:55 Sophie: Okay, da wird aus einem Vorgang, den man zunächst ja als gar nicht so kompliziert auf dem Schirm hat, dann plötzlich doch eine ziemlich komplexe Herausforderung. Wie stemmt man das alles im konkreten übersetzungsfall?
00:08:09: 00:08:09 Dorothée: Also das Zauberwort, wenn ich das jetzt mal so in den Raum werfen darf, ist interdisziplinäre Zusammenarbeit, am besten arbeiten Übersetzer*innen mit unterschiedlichen Expert*innen zusammen. Die Übersetzer*innen liefern das Know-How oder das Wissen für äquivalente und sprachlich gute Übersetzungen, haben aber vielleicht nicht unbedingt die Erfahrung mit dem Medium Fragebogen oder mit sozialwissenschaftlichen Konzepten. Auf der anderen Seite haben wir dann die Fach- und Fragebogenexpert*innen, diese Personen liefern dann das sozialwissenschaftliche Wissen, damit die Konzepte auch richtig übertragen werden und das Fragebogendesign stimmt. Aber diese Person, Fachexpert*innen, haben aber vielleicht nicht so die Erfahrung mit Übersetzung. Also man holt dann diese verschiedenen Personengruppen mit unterschiedlicher Expertise zusammen und solche Diskussionsrunden können wirklich richtig toll und anregend sein. Kann ich aus vielfältigen Erfahrungen berichten.
00:09:10: Lydia: Ja, das klingt ja für mich ganz so, liebe Sophie, als könntest du dir da noch ein zweites Standbein vielleicht aufbauen…
00:09:15: 00:09:15 Sophie: [lacht] Das stimmt wahrscheinlich. Vielleicht will Dorothée mich ja in ihr Team aufnehmen. [lacht]
00:09:20: 00:09:20 Lydia: Ja, da kann ich aus persönlicher Erfahrung direkt sagen, dass es bei Dorothée im Team wirklich sehr, sehr super ist!
00:09:31: 00:09:26 Sophie: Okay, aber wir können aber auf alle Fälle schon mal festhalten, dass es unterschiedliche Übersetzungsprozesse gibt. Und dass bei diesen Prozessen das “Wie” und das “Wer” besonders zu berücksichtigen sind. Und ich kann mir außerdem vorstellen, dass auch die Koordination der Zusammenarbeit eine zentrale Rolle im Prozess spielt, wenn mehr als eine Person daran beteiligt ist. Kannst du uns dazu etwas erzählen, Dorothée, wie das konkret funktioniert?
00:09:58: 00:09:58 Dorothée: Ja, auf jeden Fall, Koordination ist ein ganz wichtiger Aspekt hier; das bedeutet z.B. von vornherein, dass man einen realistischen Zeitplan aufsetzen sollte, sowohl für diese Erstübersetzung, aber auch für die eben genannten Diskussionsrunden oder Diskussionsrunde. Aber darüber hinaus gibt es dann auch weitere Schritte, die man vielleicht oft vergisst. Beispielsweise kann es sein, dass man nochmal Fragen klären muss, die in der Diskussion nicht gelöst werden konnten. Häufig merkt man zum Beispiel, dass man Fragen zum Ausgangstext hat, zur Bedeutung eines Begriffs und das möchte man dann nochmal mit den Entwicklern des Ausgangsfragebogens klären. Oder man möchte bestimmte Übersetzungsentscheidungen, die vielleicht kritisch waren, sauber dokumentieren. Die Idee ist ja, diese Dokumentationsphase in diesem TRAPD-Model oder es gibt ein abschließendes Korrekturlesen oder eben auch das Pretesting, wenn dieser Schritt geplant ist. Es ist alles machbar, aber man sollte sich halt im Vorfeld auch bewusst sein, dass Zeit und Personal sinnvoll einzuplanen sind.
00:10:56: 00:10:56 Sophie: Und in diesem Kontext wie steht es da insgesamt um Tools? Oftmals können die ja bei wiederkehrenden Problemen unterstützen. Gibt es hier welche, die Prozesse beschleunigen können bzw. die sie besser planbar machen oder systematisieren?
00:11:13: 00:11:13 Dorothée: Also, große Projekte, wie der European Social Survey oder die Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe. Einige da draußen werden die Studien wahrscheinlich als ESS oder SHARE kennen. Diese Projekte arbeiten mit einer eigens kreierten Übersetzungsplattform. Und diese Plattform bildet insbesondere diese besondere Mehrstufigkeit für Fragebogenübersetzungen ab, also es gibt hier gewisse, sag ich mal Plätze in dieser Software für die parallele Erstübersetzung, für Review-Fassung, für Dokumentation. Aber auch, wenn ich jetzt mal diese Übersetzungsplattform außer Acht lasse, professionelle Übersetzer, Übersetzerinnen arbeiten häufig auch mit sogenannten CAT-Tools - das steht für computer-aided translation tools. Hier geht es z.B. um technologische Unterstützung, sodass wiederkehrende Text-Elemente konsistent übersetzt werden können.
00:12:07: 00:12:07 Lydia: Genau, also das wäre jetzt, um nochmal kurz reinzugrätschen, so etwas wie immer wieder vorkommende Antwortoptionen, zum Beispiel bei den sogenannten Agree-Disagree-Skalen, also Skalen, die eine Zustimmung zu einer Einstellung oder ähnlichem messen sollen. Da gibt es so typische Antwortoptionen wie „stimme voll und ganz zu“ oder „stimme überhaupt nicht zu“.
00:12:26: 00:12:26 Dorothée: Genau, das ist ein ganz klassisches Beispiel dafür. Oder es gibt immer wiederkehrende Interviewer, Instruktionen oder ähnliches. Und diese CAT-Tools, solche Tools bieten auch verschiedene andere Checks, z.B. auch im Hinblick auf Zahlen oder korrekte Formatierungen der Übersetzung. Das ist ja auch nicht ganz unwichtig für Fragebogenübersetzungen, denn fett gedruckter Text, nur als ein Beispiel, kann ja auch eine besondere Bedeutung tragen, wenn zum Beispiel der Interviewer etwas besonders betont vorlesen soll oder wenn in einem Webumfrage irgendetwas besonders betont werden soll.
00:13:00: 00:13:00 Lydia: Gibt es denn dafür eigentlich auch öffentlich zugängliche Software, die du empfehlen kannst oder erfinden alle großen Studien, so wie das jetzt eben anklang, das Rad immer wieder neu? Oder, wenn ich es vielleicht nochmal anders formulieren kann, was kann ich denn jetzt als kleine Ottonormalwissenschaftlerin sozusagen, die jetzt in einem mehrsprachigen Projekt arbeitet, ganz konkret machen? Dokumentier ich alles irgendwie in Excel oder dergleichen oder hast du da speziellere Tipps, wie ich so einen Übersetzungsprozess nach Best Practice aufsetzen kann?
00:13:29: 00:13:29 Sophie: Ah, Lydia, du hast wohl schon einige Fragen für deine eigenen Forschung im Hinterkopf... [lacht] Gleich die Expertin hier nutzen, ne?
00:13:39: 00:13:39 Dorothée: Ja, und ehrlich, das waren jetzt erstmal ganz viele Fragen, ich muss die jetzt mal ganz kurz meinen Kopf sortieren. Also, die Software der großen Studien, die ich eben genannt hatte, die ist in der Tat nicht kostenfrei für alle nutzbar. Aber für Einzelpersonen gibt es z.B. diese Übersetzungssoftware CAT-Tools, MateCat oder OmegaT, sind da zwei Beispiele, die frei nutzbar sind – allerdings gehört natürlich auch ein gewisses Wissen dazu, wie man mit solcher Software arbeiten kann. Und wenn man jetzt selbst, Lydia, du hattest es angesprochen, vor einer Fragebogenübersetzung im eigenen Projekt steht und wenn man auf eine einfache Weise, die vielleicht nicht zu kompliziert ist, diesen mehrstufigen Prozess auch durchführen möchte und auch mit Dokumenten abbilden möchte, da ist in der Tat, nicht lachen, aber Excel ist ein sehr hilfreiches, eine Software dafür. Da kann man ja in den einzelnen Spalten dann Ausgangstext, und Übersetzungen, und Dokumentation, und finale Fassung etc. sehr gut anlegen. Und trotzdem können auch z.B. wenn Übersetzer, Übersetzerinnen, Professionelle eingeplant sind, die können immer noch mit Excel auch mit Übersetzungssoftware übersetzen, wenn sie das möchten.
00:14:47: 00:14:47 Lydia: Jut, jut, Excel kann ich ja. [lacht]
00:14:49: 00:14:49 Dorothée: Das ist doch schonmal ganz gut. Und übrigens, wenn ich das jetzt noch anbringen darf, noch was Interessantes zum Thema Tools, noch was ganz Aktuelles: Für alle zugänglich gibt es seit ganz kurzer Zeit einen riesen Korpus aus Fragebogenübersetzungen in neun Sprachen. Und zwar handelt es sich hierbei um Fragebogenübersetzungen aus dem ESS, aus SHARE, aber auch aus anderen Studien; insgesamt 306 Fragebögen! Also immer den Ausgangstext, der hier klassischerweise Englisch ist und dann Fragebogenübersetzungen, sehr schön nebeneinander strukturiert. Auf diese Fragebögen und -übersetzungen kann man in verschiedener Weise zugreifen. Und ich kann euch, aber auch Sie alle da draußen nur mal auffordern, ermuntern, sich das einmal anzuschauen und sich ein bisschen die Welt der Fragebogenübersetzung in den verschiedensten Sprachen reinzubegeben.
00:15:42: 00:15:42 Lydia: Da hast du mich jetzt auch direkt leicht ein bisschen neugierig gemacht. Ich muss mir das ja direkt mal angucken und werde es auf alle Fälle in unserem Begleitmaterial zur Folge verlinken für euch da draußen.
00:15:51: 00:15:51 Sophie: Ja und sag mal Dorothée, es gibt ja auch mittlerweile einige Übersetzungs-Tools, die ganz gute maschinelle Übersetzungen abliefern. Da stellen sich sicherlich jetzt viele die Frage, ob man hier nicht an bestimmten Stellen den Mensch durch die Maschine ersetzen kann. Ich denk dabei zum Beispiel an den häufig genutzten Google-Translator oder Google-Übersetzer oder das immer beliebtere DeepL.
00:16:15: 00:16:15 Lydia: Ich persönlich nutze ja DeepL tatsächlich ganz gerne ab und zu und ich gebe es auch zu, ich rate meinen studentischen Hilfskräften auch immer wieder dazu. [lacht] Allerdings würde ich mich nie darauf komplett verlassen, dass die Übersetzung auch korrekt ist und meistens nutze ich es auch nur für Sprachen, die ich prinzipiell schon recht gut kann, damit ich es auch ein bisschen überprüfen kann. In einem Projekt, in dem jetzt Sophie und ich z.B. beteiligt waren, hatten wir für die Übersetzung von, da ging es um so wissenstransferorientierten Artikel, hatten wir extra ein Übersetzungsbüro beauftragt, was vom Englischen auch ins Deutsche übersetzen sollte. Allerdings hatte ich da so ein bisschen immer mal wieder das Gefühl, dass bei einigen Textstellen doch DeepL besser funktioniert hat als die Profis, wenn ich das hier mal so ein bisschen ketzerisch sagen darf. Allerdings ging es hier natürlich auch um Texte im allgemeineren Sinne und nicht konkret um Fragebögen, die sind ja auch nochmal ganz spezifisch. Liebe Dorothée, wie siehst du das Ganze? Wie weit sind wir von einer Ablösung durch die Maschine, vor allem im Kontext der Fragebogenübersetzung, noch entfernt?
00:17:20: 00:17:20 Dorothée: Ho ho ho, also das ist eine Herzinfarktfrage für mein armes Übersetzerinnenherz.
00:17:28: 00:17:28 Lydia: Dann ist ja gut, dass ich meinen Erste-Hilfe-Kurs neulich erst wieder aufgefrischt habe... [lacht]
00:17:32: 00:17:32 Dorothée: Genau, das ist gut zu wissen. Also prinzipiell muss ich in der Tat sagen, seh ich ja selbst auch, maschinelle Übersetzung wird immer besser, und zwar aufgrund der Nutzung von künstlicher Intelligenz. Man spricht hierbei auch von neuronaler maschineller Übersetzung. Und seit einigen Jahren sehen wir ja z.B., dass der Satzbau immer flüssiger wird, das verdanken wir eben dieser neuronalen maschinellen Übersetzung. Aber, wie habt ihr ja schon in dem lustigen Titel eurer Folge gesagt, „the devil sticks in the detail“. Maschinelle Übersetzung basiert auf sehr großen Datenmengen, die sind nicht oder noch nicht für alle Sprachkombinationen gegeben; und zumindest die allgemein zugängliche Software, also Lydia, du hattest es angesprochen, Google Translate oder DeepL, die sind ja nicht auf eine spezielle Textsorte, wie z.B. Fragebogenübersetzung, hin trainiert. Da stecken auf jeden Fall auch noch viele Fehler drin, teils auch untypische, die man so von Menschen nicht kennt, und die man korrigieren sollte.
00:18:30: 00:18:30 Sophie: Also für meinen beruflichen Alltag mach ich es ja mittlerweile auch so – und da spreche ich bestimmt für ganz viele andere auch, hier von unseren Hörerinnen und Hörern – dass ich einen Text erst durch DeepL übersetzen lasse und dann anschließend redigiere.
00:18:46: 00:18:46 Dorothée: Genau, Sophie. Und für dieses Redigieren wird in der Fachsprache, in der Übersetzungs-Welt, das Wort Post-editing verwendet. Und dieser Prozess an sich nimmt auch immer mehr Einzug in den Übersetzeralltag.
00:18:59: 00:18:59 Sophie: Ja, Post-editing trifft es auch nochmal deutlich besser, da hast du recht. Denn man muss ja schon auch noch sehr eingreifen, man kann das ja nicht einfach so stehen lassen. Und dabei mache ich übrigens intuitiv etwas, das du auch schonmal erwähnt hast, Dorothée, ich verändere nämlich teilweise auch die deutsche Version noch einmal, um zu schauen, ob der Text dann übersetzbarer ist und die Software mir dann einen besseren Vorschlag macht. Das ist dann für die ganz Eiligen.
00:19:30: 00:19:30 Lydia: Das mache ich übrigens auch, aber psst, nicht weitererzählen... Aber sag mal, Dorothée, du hattest doch auch irgend so ein Projekt zum Thema maschinelle Übersetzung und Fragebögen, wenn ich mich richtig entsinne, oder? Was habt ihr denn da genau gemacht?
00:19:50: 00:19:50 Lydia: Genau, stimmt! Also, wir haben in einem Experiment maschinelle Übersetzung in die team-basierten Prozesse dieses TRAPD-Models eingebunden, also wir haben uns nicht maschinelle Übersetzung alleine nur angeschaut, sondern maschinelle Übersetzung als Basis für Post-editing, also für menschliche Korrekturen und dann weiter als Basis für Team-Diskussionen angeschaut. Und das schien in den von uns untersuchten Sprachpaaren – Englisch–Deutsch und English–Russisch – zu funktionieren. Wir werden da hoffentlich bald einige Veröffentlichungen sehen. Aber genauso, und das ist mir wichtig auch zu sagen, genauso wie eine einzelne Übersetzung und Korrektur durch eine Person im Idealfall nicht das Prozedere für eine Fragebogenübersetzung sein sollte, sollte auch maschinelle Übersetzung und Korrektur durch eine Person nicht das Prozedere für Fragebogenübersetzungen sein. Denn hier ist wirklich das Stichwort Mehrstufigkeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
00:20:45: 00:20:45 Sophie: Mhm, okay, da ist ja für die nahe Zukunft schon noch einiges zu erwarten, was den Prozess vermutlich dann deutlich unterstützen wird. Kannst du zum Ende unserer Doppelfolge noch mal so ein paar Take Home Messages für uns und unsere Faktenfreundinnen und Freunde formulieren?
00:21:06: 00:21:06 Dorothée: Das mach ich gerne. Also ich fange dann mal an mit 1. Man unterschätzt häufig, wie viel Arbeit hinter Fragebogenübersetzungen steckt. Das Stichwort, das ich hier gerne geben möchte, ist: Ressourcenplanung. Und 2. Das hatte ich ja in der ersten Folge auch erwähnt: Man muss auf Übersetzbarkeit des Ausgangstextes achten und kulturelle Unterschiede mitdenken. Drittens als Take Home Message: Es gibt meistens nicht die eine richtige Übersetzung, sondern es gibt verschiedene, gute Übersetzungen, aber sie muss auf jeden Fall für den jeweiligen Kontext und den jeweiligen Übersetzungsauftrag passen. Und viertens: Ganz viele Entscheidungen spielen bei der Übersetzung eine Rolle, Übersetzung ist ein Entscheidungsprozess.
00:21:53: 00:21:53 Lydia: Ja, und um das vielleicht nochmal zu ergänzen: Ich hab ja aus den beiden Folgen mitgenommen, dass diese Entscheidungen, von denen du hier sprichst, am besten in einem interdisziplinären Team getroffen werden und dass dieser ganze Prozess mehrstufig ist.
00:22:06: 00:22:06 Sophie: Ja, und was ich aber trotz aller Komplexität, die ja jetzt hier auch nochmal bei der Take Home Message sozusagen nochmal anschaulich wurde, was ich da aber betonen möchte und was ich auch aus diesen beiden Folgen mitnehme, ist, dass Übersetzung auch unheimlich viel Spaß machen kann und gerade wegen der inhaltlichen und kulturellen Vielseitigkeit ein absolut faszinierender Prozess ist. Und dabei find ich auch ziemlich schön, dass es nicht die eine richtige Übersetzung gibt, also das wäre zwar erstmal einfacher, aber es empfindet ja trotzdem jeder anders, jeder denkt ja: So wie ich es mach, trifft es besser. Und ich finde es schön, dass es unterschiedliche Wege zu einer passenden Übersetzung gibt.
00:22:50: 00:22:50 Lydia: Ach ja, jetzt nochmal mein Zeigefinger: Achtung vor den sogenannten False Friends, auch wenn wir die jetzt nicht weiter besprochen haben! Und zwar nicht nur im wirklichen Leben. Auf alle Fälle waren das jetzt noch mal total viele hilfreiche Tipps und Hinweise hier zum Schluss. Vielen Dank dafür nochmal, Dorothée! Diese Tipps und weiteres Informationsmaterial findet ihr, liebe Faktenfreund*innen, wie immer zusammen im Zusatzmaterial oder Begleitmaterial auf podcast.gesis.org. Wir danken euch herzlich fürs Zuhören und vor allem unserer Meisterin der Fragebogenübersetzung, Dr. Dorothée Behr! Denn dies war nun ihr zweiter Streich und die Folge folgt sogleich!
00:23:37: 00:23:37 Dorothée: Es war mir ein Vergnügen mit euch! Vielen Dank!
00:23:39: 00:23:39 Lydia: Das Vergnügen war ganz auf unserer Seite, meine Liebe!
00:23:42: 00:23:42 Sophie: Ja, auch von mir aus! Unser Dank geht weiterhin an Claudia O’Donovan-Bellante, Bastian Wieder und Leah Butz für die technische Unterstützung. Liebe Dorothée, tschüss! Liebe Faktenfreund*innen, liebe Lydia, bis zum nächsten Mal!
00:23:58: 00:23:58 Dorothée: Tschüss!
00:23:58: 00:23:58 Lydia: Macht’s gut! Ciao!